Kommen Industrieanlagen oder Gebäudekomplexe in die Jahre, werden umfangreiche Sanierungsmaßnahmen für die Betreiber unumgänglich. Das ist jedoch in der Regel leichter gesagt als getan, vor allem wenn der Betrieb während der Modernisierung und Umrüstung nicht stillstehen darf, sondern reibungslos weiterlaufen muss.
Dass sich selbst umfangreiche Maßnahmen realisieren lassen, zeigt unser folgendes Beispiel: In der Kopfklinik des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) wurde die komplette zentrale Stromversorgungsanlage einschließlich Notstromaggregat ausgetauscht bzw. neu installiert und technisch auf den neuesten Stand gebracht, ohne die Patientenversorgung zu beeinträchtigen. Gute Planung und Kommunikation zwischen allen Beteiligten waren dafür die Voraussetzung.
Die Kopfklinik ist mit rund 38.000 Quadratmetern Nutzfläche das größte Klinikzentrum des Universitätsklinikums Heidelberg und war bei ihrer Eröffnung 1987 das erste Gebäude des Klinikrings im Neuenheimer Feld. Mehr als 30 Jahre später steht nun die Sanierung an. Mitte 2016 startete die Modernisierung der Stromversorgung als Vorabmaßnahme der in Planung befindlichen Generalsanierung. Die Anpassung der Stromversorgung auf den neuesten Stand der Technik hat hohe Priorität, um einen reibungslosen Klinikbetrieb zu gewährleisten. Bisher wurde die Kopfklinik über ein 20-kV-Mittelspannungskabel sowohl bei Normalbetrieb als auch im Notstrombetrieb versorgt. Nach heutigem Stand der Technik sind die Systeme für die Normal- und Notstromversorgung aber unabhängig voneinander und getrennt auszuführen. Auch die Nieder- und Mittelspannungsverteilung sollten im Zuge der Modernisierung erneuert werden. Der Klinikbetrieb musste währenddessen weiterlaufen und Beeinträchtigungen in der Patientenversorgung galt es dabei unbedingt zu vermeiden.
Operation am offenen Herzen
Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung des Amts für Vermögen und Bau Baden-Württemberg haben wir, die big. engineering services, den Auftrag erhalten. Das Projekt war aufgrund der laufenden medizinischen Nutzung der Kopfklinik eine enorme technische und organisatorische Herausforderung – von der Umsetzung der technischen Anforderungen über die Terminsicherung bis zur Kostenkontrolle. „Die Zusammenarbeit ist sehr erfolgreich verlaufen,“ bestätigt uns Thomas Cieslok, Abteilungsleiter Elektrotechnik und gesamtverantwortliche Elektrofachkraft am Universitätsklinikum.
Ein komplexes Thema im Rahmen der Elektrosanierung war die neue Notstromversorgung der Kopfklinik. Dazu wurden neben dem Bettenhaus des Klinikums 4.500 Kubikmeter Erde für ein unterirdische Notstromzentrale abgetragen. Dieses ist jetzt über unterirdisch verlegte Rohrsysteme mit der Kopfklinik verbunden. In ihnen sind die Verbindungskabel von der Notstromanlage zu den Niederspannungshauptverteilungen verlegt. Der in der neuen Notstromzentrale installierte 20-Zylinder-Dieselmotor springt bei einem Stromausfall innerhalb von Sekunden an (Lastübernahme gemäß VDE 0100/710 nach max. 15 Sekunden). Über den Stromerzeuger liefert er dann als zweite, von der normalen Stromversorgung völlig unabhängige Stromquelle bis zu drei Megawatt elektrische Leistung. Dank eines Dieseltanks mit 38.000 Litern Fassungsvermögen kann die Klinik jetzt bei einem Notfall mindestens 24 Stunden lang autark versorgt werden. Bei einem realistischen Verbrauch von 670 Litern pro Stunde ist zudem eine ausreichende Reserve vorhanden und der Verbrauch während der monatlichen Probeläufe ist für ein Jahr ebenfalls abdeckt. Im Brandfall hält die Kabelanlage mindestens 90 Minuten dem Feuer stand, wodurch die Verfügbarkeit der Notstromanlage zusätzlich erhöht wird.
Reibungsloser Betrieb trotz umfangreicher Maßnahmen
Im nächsten Schritt wurden dann die zentralen Komponenten der Stromversorgung innerhalb der Klinik in zwei getrennten Energiezentralen neu aufgebaut. Zwanzig Felder der 20-kV-Mittelspannungsanlage wurden in zwei Stationen neu installiert, dazu 84 Felder der Niederspannungshauptverteilung mit der Allgemein- und der Sicherheitsstromversorgung. Erst dann konnten die Unterverteiler und die rund 100 Unterverteilungen und Großverbraucher der Klinik auf die neue Versorgung umgelegt werden.
Von Andreas Moch
Projektleiter
big. engineering services
Dazu musste jeder einzelne Stromkreis und Verbraucher separat betrachtet und die Rahmenbedingungen für den Umschluss mit dem Nutzer abgestimmt werden, da die Versorgung der Patienten oberste Priorität hat und zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein muss. „Den reibungslosen medizinischen Betrieb während dieser umfassenden Maßnahmen sicherzustellen, ist eine technische und organisatorische Herausforderung, die eine genaue und enge Abstimmung erfordert“, sagte unser Ansprechpartner vom Uniklinikum Heidelberg, Thomas Cieslok. „Gute Kommunikation und respektvoller Umgang miteinander waren der Schlüssel zum Erfolg.“
Spezielle Herausforderungen des Klinikbetriebs
Nur durch ein an die Klinikbedingungen angepasstes, gut strukturiertes Vorgehen konnten wir die im medizinischen Bereich sehr speziellen Herausforderungen zur vollen Zufriedenheit meistern. Dabei kam es auf viele Details an: So wurden die neuen Schaltanlagen zusätzlich zu den vorhandenen installiert und dann sukzessive umgeschaltet, während die Altanlage zunächst weiter in Betrieb blieb. Für den Umschluss galt es dann nicht nur die Reihenfolge in detaillierten Schritten zu präzise definierten Zeitpunkten zu planen, sondern auch die Bereitstellung eventuell notwendiger Ersatzteile und Rückfallebenen musste berücksichtigt werden. Ursprünglich verlegte Kabel beispielsweise lassen sich meist nicht einfach umverlegen.
Die Rahmenbedingungen des Klinikbetriebs gaben dabei die Richtlinien vor. So durfte beispielsweise trotz der Umschaltung der Stromversorgung auf die neuen Systeme keinesfalls in einem OP die Belüftung ausfallen. Ähnliches galt auch für medizinische Großgeräte. Ein MRT ist zum Beispiel auf seine Kühlung angewiesen. Bei einer längeren Unterbrechung würde das zur Kühlung verwendete flüssige Helium austreten und müsste aufwendig nachgefüllt werden. Dass gleichzeitig die Räume, in denen sich die Mittel-, Niederspannungs- und die Sicherheitsversorgung befinden, saniert werden mussten, machte die Umschlussarbeiten nicht einfacher. In den elektrischen Betriebsräumen war während der Arbeiten von Fremdgewerken immer die Anwesenheit eines Elektrikers erforderlich.
Keinen Tag länger als geplant
Schlussendlich ließen sich die umfangreichen Modernisierungen der Regelstromversorgung innerhalb des geplanten Zeitrahmens realisieren. Nach nur knapp sechs Wochen waren die neue Mittelspannungsschaltanlage in Betrieb und die alte abgebaut. Der Umschluss der Niederspannungsanlage und die Realisierung der neuen, räumlich und funktional davon getrennten Sicherheitsversorgung waren nach ca. sechs weiteren Monaten abgeschlossen. Dank der fundierten Planung und der guten Kooperation aller Beteiligten ging während des gesamten Projekts der Klinikbetrieb ungestört weiter. „Keiner hat es gemerkt, weder die Patienten noch unsere Kollegen aus der Patientenversorgung“, freut sich Thomas Cieslok. Auch für die Zukunft ist deshalb eine weitere Zusammenarbeit geplant. So sind wir, die big. engineering services, aktuell für mehrere Instandhaltungsprojekte mit im Boot.