Dass die größte Fachmesse der Immobilienbranche, die Expo Real vom 4. bis 6. Oktober 2023 in München, in diesem Jahr eine Sonderschau zum Thema „Decarb“ organisiert, hat einen sehr guten Grund: Die Etablierung einer CO2-neutralen Marktwirtschaft ist ohne Veränderungen in der Bau- und Immobilienbranche gar nicht denkbar. Schließlich entsteht hier laut UNEP (United Nations Environment Programme) rund ein Drittel der weltweiten Emissionen. Zudem wird das Thema aus wirtschaftlichen Gründen immer wichtiger, denn nachhaltige Immobilien erzielen bereits jetzt häufig höhere Renditen.
LCA-Berechnung im Fokus
Aber was heißt das nun konkret und wie plant man überhaupt eine nachhaltige Immobilie? Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich idealerweise mit dem gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes beschäftigen – von der Herstellung der Vorprodukte und ihrem Transport über die Erfassung aller verwendeten Materialien bis zur Nutzung. In jedem Schritt entstehen Emissionen, die in die sogenannte LCA-Berechnung (Life Cycle Assessment) einfließen und mit dem Wert „CO2-Emission pro Quadratmeter“ präzise erfasst werden. Das ist Grundlage für eine nachhaltige Planung.
Nebenbei wird an dieser Stelle deutlich, dass man für ein umfassendes „Decarb“ ein ebenso umfassendes Planungs- und Steuerungskonzept wie BIM (Building Information Modeling) benötigt, mit dessen Hilfe man den ganzen Lebenszyklus abwickelt. So lässt sich zum Beispiel simulieren, wie viel Energie das Gebäude im Betrieb tatsächlich verbrauchen wird. Eine wichtige Datenbasis, um den optimalen Energie-Mix zur Stromversorgung planen zu können. Sie möchten wissen, an welcher Stelle ein bestimmtes Kupferkabel in welche Menge verbaut wurde oder aus welchen Materialen ein Fenster besteht? Hier steht die Antwort, was beispielsweise im Zuge der Etablierung einer Kreislaufwirtschaft essenziell ist. Schließlich lässt sich so eruieren, ob man eine Komponente wiederverwenden und auf diese Weise den CO2-Fußabdruck einer späteren Sanierung verkleinern kann.
Küchenfronten aus Joghurtbechern
Die Etablierung einer umfassenden Kreislaufwirtschaft ist auch für Neubauten unverzichtbar. Es gilt die einfache Regel: Was man nicht neu herstellen muss, erzeugt keine Emissionen. Aber kann man ein Gebäude bauen und dabei (fast) nur wiederverwertbare oder sogar kompostierbare Materialien verwenden? Die Antwort ist tatsächlich „ja“, wie der Neubau des RoofKIT auf dem Campus des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), an dem ich im Rahmen eines studentischen Projekts mitgearbeitet habe, auf besondere Weise verdeutlicht. Alle Werkstoffe sind Teil eines nachhaltigen Kreislaufprozesses. Konkret heißt das: Die Holzfassade wurde nur verschraubt und mit einer biologischen Farbe auf Pilzbasis bestrichen, damit man die Bretter später kompostieren kann – was bei Einsatz von Klebern nicht möglich wäre. Zudem haben wir den Einbau von Türen, Fenstern und Treppen so geplant, dass man später alles wieder einfach ausbauen und wiederverwenden kann. Und nicht zuletzt kommen an vielen Stellen Werkstoffe aus Recycling-Prozessen zum Einsatz. Das Material der Küchenfront stammt beispielsweise aus Joghurtbechern und im Bad gibt es Platten aus geschmolzenem Altglas, mit denen man Fliesen ersetzen kann.
Nachhaltigkeit umfassend planen
Natürlich ist das ein Extrembeispiel, das sich so nicht eins zu eins bei allen Bauvorhaben umsetzen lässt. Aber es zeigt zumindest die Richtung auf: Das Recycling von zentralen Baustoffen und -elementen sowie die kreislauffähige Konzeption von Gebäuden wird wichtiger und somit die umfassende Erfassung aller relevanten Daten vom ersten Planungsschritt an. Übrigens setzen wir von den big. engineering services auch aus einem anderen Grund auf Planungs- und Steuerungskonzepte wie BIM: Hier lassen sich alle Wartungsfristen und technische Details präzise anlegen. Dann wissen die big. facility services in der Betriebsphase also beispielsweise, welche Lüftungsanlagen für einen Check anstehen und wo genau sie sich befinden. Deshalb hilft der Ansatz dabei, die gesamte Technik des Hauses dauerhaft effizient zu betreiben – und das zahlt letztlich auch auf seine Ökobilanz ein.
Julian Schmidgruber
Experte bei den
big. engineering services